Punkt eins Kolonialgeschichte mit Fensterpflanzen
Fr, 20.06. | 13:00-13:55 | Ö1
Ein Leben ohne Pflanzenvielfalt und Pflanzenzierde? Für viele undenkbar! Eine unlängst eröffnete Ausstellung im Weltmuseum Wien beschäftigt sich unter dem Titel „Kolonialismus am Fensterbrett“ mit zehn der beliebtesten Zimmer- und Balkonpflanzen und hält programmatisch fest: Auch Pflanzen haben Biografien, Herkunft und Verwandtschaften, die mit unserer heimischen Flora mitunter wenig zu tun haben. Zimmertanne, Birkenfeige, Aloe Vera, Begonie, Geranie, Bogenhanf, Grünlilie, Dieffenbachie, Kaktus und das Usambaraveilchen haben eines gemeinsam – ihr ursprünglicher Lebensraum liegt außerhalb Europas und ihr Platz in unserer Mitte spiegelt auch ein stückweit jene abwechslungsreiche Geschichte, die sie zu uns brachte. Der ökonomischen Logik des Kolonialismus folgend, suchten Pflanzenjäger, Botaniker und Pflanzenhändler ab dem 17. Jahrhundert systematisch nach Heil- und Nutzpflanzen, um sie gewinnbringend zu vermarkten. Die exotischen Pflanzen waren zunächst Statussymbole für den Adel und kaufkräftige Oberschichten. Johann Wolfgang von Goethe etwa war begeistert von der aus Afrika stammenden Grünlilie, die ihre Karriere hierzulande ebenfalls im höfischen Ambiente begann, um später in bürgerlichen Haushalten Einzug zu halten. James Cook entdeckte bei seiner zweiten Weltumsegelung 1774 die immergrüne Zimmertanne im Pazifik, die er ebenso nach Europa brachte, wie eine deutsche Ostafrika-Expedition das Usambaraveilchen. In Südafrika wurde die bei uns so beliebte Zierpflanze Geranie jahrhundertelang als Medizin gegen Atemwegserkrankungen eingesetzt. Pflanzenvielfalt und Pflanzenzierde bereichern freilich nicht nur private, sondern auch öffentliche Räume. Die moderne Stadt ist begrünt und greift auf einen großen Fundus botanischer Vielfalt zurück. Die Pflanzen der Stadt erzählen von vielen Geschichten, in den Parkanlagen finden sich neben einheimisch gewordenen Arten auch prächtige Palmen, die südliche Gefilde und Gefühle näher an uns heranrücken. Die Sozial- und Kulturanthropologin Bettina Zorn hat die Ausstellung „Kolonialismus am Fensterbrett“ kuratiert und die Publizistin Christina-Estera Klein hat in ihrem Buch „Botanische Spaziergänge“, die Wiener Pflanzenwelt und deren zuweilen auch exotische Geschichten dokumentiert. Christina-Estera Klein und Bettina Zorn sind Gäste bei Andreas Obrecht.Wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at
in Outlook/iCal importieren