Punkt eins Libyen unter Druck

Di, 05.08.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Ein gespaltenes Land wird zum Spielball internationaler Interessen. Gast: Dr. Salam Said, Ökonomin und Direktorin des Libyen-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung. Moderation: Marlene Nowotny. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Libyen, so liest man es in der spärlich vorhandenen Reiseliteratur, ist ein vielgesichtiges Land: Die viertgrößte Nation Afrikas hat eine 1.600 Kilometer lange Mittelmeerküste, die, anders als jene der Nachbarländer Ägypten oder Tunesien, „hotelfrei“ ist. An den menschenleeren Küsten gibt es römische und antike Grabungsstätten, die auf die enge historische Verbindung zu Europa hinweisen – darunter Leptis Magna, die einst drittgrößte Stadt des römischen Imperiums. Das Land verfügt über die größten Ölreserven des Kontinents. Doch ob die Bevölkerung gegenwärtig von diesem Ressourcenreichtum profitiert, ist unklar. Seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi 2011, der mehr als 40 Jahre an der Macht war, wird in Libyen gekämpft. 2023 kam es zu einer Naturkatastrophe: Die Hafenstadt Derna im Osten des Landes wurde überflutet. Tausende starben, noch mehr verloren ihr Zuhause. Ein Unglück, dass die politische Spaltung des Landes vertiefte.Die international anerkannte Regierung kontrolliert zwar Westlibyen mit Hilfe verschiedener Milizen, damit aber eben nur einen Teil des Landes. Die 2021 unter Abdul Hamid Dbaibas Einheitsregierung versprochenen Wahlen haben bis heute nicht stattgefunden – eine politische Blockade, die immer wieder zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen führt. Im Osten, auch in Derna, kontrolliert der Militärmachthaber General Khalifa Haftar zwei Drittel des Landes, unterstützt von einer Parallelregierung. Dass Milizen auf beiden Seiten als sicherheitspolitische Stabilisatoren in politische Entscheidungsprozesse eingebunden wurden und werden, hat dazu geführt, dass der Staat von eben diesen unterwandert, geplündert und mitkontrolliert wird. Hinzu kommt der politische Druck von außen: Libyen ist jedes Jahr Ziel- bzw. Transitland für hunderttausende Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika, von denen viele auf der zentralen Mittelmeerroute nach Italien gelangen wollen. Deswegen wächst der Druck der Europäischen Union auf des nordafrikanische Land – das Land droht zum Spielball konkurrierender internationaler Interesse zu werden.Im Juli verweigerte die ostlibysche Regierung Magnus Brunner, EU-Kommissar für Migration, und seiner Delegation die Einreise und sagte auf dem diesem Weg Gespräche über die Migrationsroute nach Kreta ab. Vergangene Woche fand wiederum ein trilaterales Gipfeltreffen zwischen der Türkei, Italien und Libyen statt, bei dem laut offizieller Stellungnahmen über eine engere Kooperation in den Bereichen Energie, Migration und regionale Stabilität beraten wurde.Wie also steht es derzeit um die politische Situation in Libyen? Wie um das Verhältnis des nordafrikanischen Landes zu Europa? Darüber spricht Marlene Nowotny mit Salam Said, der Direktorin des Libyen-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung. Haben Sie Fragen zu Libyen? Rufen Sie uns an unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder schreiben Sie uns unter punkteins(at)orf.at.

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