Punkt eins Wann ist es Amtsmissbrauch?

Do, 07.08.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Krimineller Umgang mit Amtsgewalt. Gäste: Univ.-Prof. Dr. Severin Glaser, Universität Innsbruck; Univ.-Prof. Dr. Ingeborg Zerbes, Universität Wien. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Einen schweren Fall von Amtsmissbrauch sieht (nicht nur) der Kärntner Anwalt Rudi Vouk in dem umstrittenen Polizeieinsatz am Persmanhof am vorletzten Wochenende. Eine Anzeige sei in Vorbereitung, sagte er der APA. Vorwürfe dieser Art sind in Österreich nicht selten. In Vorarlberg laufen gerade Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen eine Justizwachebeamte, die Haftinsassen Vorteile verschafft haben soll; die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt gegen acht Mitarbeiter des Bauamts, denen vorgeworfen wird, Bauwerber:innen mit unvollständigen Rechtsauskünften „in teure Gerichtsverfahren getrieben“ zu haben.Was ist eigentlich Amtsmissbrauch? Paragraf 302 des Strafgesetzbuchs („Missbrauch der Amtsgewalt“) droht mit hohen Freiheitsstrafen, wenn die Befugnis, im Namen der Öffentlichkeit Amtsgeschäfte durchzuführen, wissentlich dazu eingesetzt wird, andere zu schädigen. Die Verantwortung, die der Staat an Einzelne überträgt, ist also besonders ernst zu nehmen. Das betrifft Amtsträger:innen – Beamte, zum Beispiel in Polizei und Vollzug, aber etwa auch Bürgermeister:innen in Ausübung ihrer Funktion als oberste Baubehörde. Vorsatz und Wissentlichkeit sind Voraussetzungen, damit der Tatbestand erfüllt sind. Trotzdem scheint man sich unter „kleinen Beamten“ zuzuraunen, dass man beim Versuch, seine Amtstätigkeit auszuführen, mitunter schon „mit einem Bein im Kriminal“ stehe – es gibt eigens spezialisierte Anwaltsbüros und Ratgeber im Internet („Tipp: Bewusstes Beugen oder Umgehen (…) von Gesetzen in der Hoheitsverwaltung muss absolut vermieden werden, um das Risiko eines Amtsmissbrauchs zu minimieren“). Der Leitfaden des Büros zur Korruptionsprävention und -bekämpfung im Innenministerium (BAK) stellt grundsätzlich fest: Integres Verhalten, Transparenz und strikte Trennung von Berufs- und Privatleben sollten vor Korruptionsverdacht schützen. Auf eine Weisung von höherer Stelle könne man sich übrigens nicht ausreden, wenn diese rechtswidrig ist.Zweifellos scheint der Vorwurf des Amtsmissbrauchs auch ein Instrument der politischen Rhetorik zu sein. Von der Anzeige gegen Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) durch den eigenen Koalitionspartner ÖVP im vergangenen Wahlkampf blieb nicht viel übrig – die WKStA legte das Verfahren mangels Anfangsverdacht zurück. Der damalige ÖVP-Generalsekretär und jetzige Bundeskanzler Christian Stocker warf der Justiz damals sogar vor, politisch zu agieren. Die Ministerin habe mit ihrer Zustimmung zum Renaturierungsgesetz im EU-Rat „Verfassungsrecht gebrochen“, meinte die ÖVP entgegen mehrerer Gutachten. Auf die Behauptung folgte später eine Richtigstellung gemäß Mediengesetz. Zu Verurteilungen kam es dagegen dieses Frühjahr im so genannten BVT-Skandal gegen den Ex-FPÖ-Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein und eine Mitarbeiterin; es ging um die Weitergabe von nachrichtendienstlichen Informationen.Von Polizeiwache und Gemeinderat bis in die höchsten Ebenen der Politik: Wie häufig, wie schwerwiegend ist Amtsmissbrauch in Österreich – auch im Vergleich zu anderen Korruptionsdelikten? Severin Glaser, Professor für Finanz- und Wirtschaftsstrafrecht am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Universität Innsbruck, und Ingeborg Zerbes, Universitätsprofessorin und stellvertretende Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien, sind zu Gast bei Xaver Forthuber. Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie uns unter punkteins(at)orf.at.

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