Opus – das Musikkolloquium Charles Koechlin – Meister der Orchestrierung

Do, 01.01.  |  15:05-16:55  |  Ö1
Eine Hommage an den französischen Komponisten Charles Koechlin (1867-1950) zu dessen 75. Todestag

„Manchmal reicht ein einziger Takt eines genialen Kollegen aus, um uns das Tor zu den verzauberten Gärten zu öffnen, in denen wir dann vielleicht ganz andere Blumen als er selbst pflücken dürfen.“ Das schreibt Charles Koechlin über Claude Debussys 1890 veröffentlichtes Lied „Mandoline“ in seinen Aufzeichnungen. Es war das einzige Werk, das Koechlin zu Beginn seines Kompositionsunterrichts von Debussy kannte, und jenes, das ihm Tür und Tor zu einem neuen Umgang mit Tonarten öffnete. Wenig später studierte Koechlin am Pariser Konservatorium in der Klasse von Jules Massenet, die später Gabriel Fauré übernahm. Zu seinen Studienkollegen zählten Florent Schmitt, Reynaldo Hahn, George Enescu und Maurice Ravel. Dass Charles Koechlin, der am 27. November 1867 in Paris in eine große Industriellenfamilie hineingeboren wurde, überhaupt Komposition studierte, ist auf eine lebensbedrohliche Erkrankung an Tuberkulose zurückzuführen. Ihretwegen musste Koechlin sein Studium an der École polytechnique für mehrere Monate unterbrechen. Die zivile Ingenieurslaufbahn blieb ihm in weiterer Folge verwehrt, und die verbliebene Aussicht auf eine Militärkarriere lehnte er ab. An vorderster Front ging er stattdessen jener kreativen Tätigkeit nach, der er sich seit seinem 15. Lebensjahr bereits widmete: dem Komponieren. Als Angehöriger der damaligen Avantgarde ist Koechlins Stil geprägt von Polytonalität und Atonalität, wenngleich sich sein Oeuvre einer konkreten Einordnung entzieht. Unter den über 200 Kompositionen findet sich eine große Bandbreite: Lieder mit Orchester, Kammermusik, Klavierstücke, Orgel-, Orchester- und Vokalwerke. Inspiration fand Koechlin beim Komponieren oft außerhalb des musikalischen Kontextes: Fasziniert von den Anfängen des Tonfilms, setzte er etwa mit der „Seven Stars Symphony Op. 132“ sieben Filmstars ein klingendes Denkmal. Mehrere von Koechlins sinfonischen Dichtungen beruhen wiederum auf Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“. Und dennoch ist Koechlins Musik alles andere als Unterhaltungsmusik – sein Interesse galt dem „unerforschten Urwald“ abseits tonaler Pfade. Bemerkenswert ist dabei der Feinsinn, mit dem er die Kunst der Orchestrierung meisterhaft zur Geltung brachte – mit größtem Empfinden für Klangfarben, Übergänge und Konturen. Für seine Lehrbücher, die er als Musiktheoretiker verfasste, wurde Koechlin hochgeschätzt. Seine Kompositionen finden erst seit zwei Jahrzehnten wieder vermehrt Gehör. In dieser Ausgabe von „Opus“ werfen wir gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Michael Hagleitner einen Blick auf das Werk, das Charles Koechlin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert geschaffen hat. Und zwar exakt bis zur Jahrhundertmitte – denn es war in der Silvesternacht vom 31. Dezember 1950, als der Komponist in seinem am Mittelmeer gelegenen Haus in Le Canadel verstarb.

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